Da es selbst in einer geführten
Gruppentour nicht mehr möglich ist in die chinesische Provinz Tibet
einzureisen, da China die Provinz für Ausländer gesperrt hat
nachdem sich erneut Menschen aus Protest auf offener Strasse
verbrannt haben, hieß es einen Plan-B zu entwickeln.
Aber fangen wir von vorne an.
In Shangri-La, einem angeblichen
Paradies das aber keines ist traf ich Braden ein lustiger Kerl aus
Kanada.
Als wir zusammen zu Abend gegessen
haben machte er mir die Idee schmackhaft mit ihm zusammen den Westen
der Provinz Sichuan zu bereisen.
Das besondere daran ist, das dieses
Gebiet nahezu unerschlossen ist und es zum tibetischen Kulturkreis
gehört.
90 Prozent der Einwohner sind Tibeter;
Häuser, Kleidung, Verhalten, Sprache, Glauben; dies alles beruht auf
tibetischem Ursprung.
Wir hörten zuvor von Reisenden die aus
dieser Gegend von der Polizei direkt wieder zurückgeschickt wurden,
manchmal konnte man als Ausländer nicht einmal ein Busticket für
diese Gegend kaufen.
Am nächsten Morgen ergatterte ich dann
das allerletzte Busticket ins 10 Stunden entfernte Xiangcheng.
Die Bustour selbst wurde nach ungefähr
6 Stunden für mich bis dahin ungewöhnlich ungemütlich. Straßen
wurden zu dem schlimmsten gerade noch befahrbaren Untergrund den ich
bis jetzt erlebt habe und das sollte die nächsten Wochen so bleiben.
Da kommt auch Nordlaos nicht mit.
Xiangcheng selbst war dann für uns
beide die Begegnung mit der tibetischen Kultur.
Die Leute tragen die traditionelle
Kleidung, Häuser sehen aus wie in Filmen aus dem wilden Westen und
überall wehen die farbenprächtigen Gebetsflaggen.
Als einzige Ausländer in der Stadt
gehörte alle Aufmerksamkeit diesen 2 gutausehenden Westlern.
Zum gewohnten Dinner nahm die Schärfe
des Essens ungeahnte Höhen an. Das Essen wird hier so scharf
gewürzt, dass zusätzlich ein Gewürz benutzt wird das einem die
Zunge betäubt damit der Schmerz nicht ganz so groß ist. Nach der
ersten ungewohnten Erfahrung mit dem Essen kam ich nach und nach auf
den Geschmack von widerlich scharfem Essen, so dass ich jetzt jedes
Gericht als extra scharf bestelle. Vielleicht suche ich aber auch nur
nach einer neuen Herausforderung.
Wie dem auch sei. Nach den ersten
Bieren machten wir uns auf um die Strassen bei Nacht zu erkunden. In
einem Hinterhof fanden wir dann tatsächlich , so ungewöhnlich es
auch scheint, eine Art Disco. Nach 3 Minuten fanden wir uns an einem
Tisch mit einer jungen tibetischen Clique wieder.
Dazu sei gesagt, dass man als Ausländer
in einem chinesischen Club seine Geldbörse getrost zu Hause lassen
kann. Entweder übernehmen die Locals oder der Club selbst (z.B. in
Chengdu) die Rechnung.
Irgendwann zu später Stunde dachte ich
mir, zeige ich mich als besonders guter Ausländer der die Kultur zu
schätzen weiß.
Zum Anstoßen rief ich also ein lautes
„Free Tibet“ aus!
Statt erwartetem Applaus und fröhlichen
Gesichtern verstummten alle Gespräche und man sah sich ungläubig
an. Bravo Sascha, wieder mal alles falsch gemacht was man falsch
machen kann.
Braden fing dann schnell an über
irgendetwas belangloses zu reden und mit dem nächsten Bier war mein
Fehler auch vergessen.
Merke: Niemals öffentlich in China
zur tibetischen Unabhängigkeit ausrufen!
Braden war dann
etwas verwirrt als ihn einer der Tibeter beim Pinkeln zuguckte und
ihn danach in den Arm nahm. Hehe, was habe ich gelacht. Die
„Zuneigung“ die aber zur tibetischen Kultur gehört, da man
einfach zeigt wenn man jemand mag, mussten wir erst lernen.
Am nächsten
Morgen sollte es für uns weiter gehen nach Daocheng. Gute 4
Autostunden entfernt und damit ein perfektes Ziel um seit Malaysia
mal wieder per Anhalter unterwegs zu sein. Schnell n' Stift gekauft
und auf Pappe den Stadtnamen mit chinesischen Schriftzeichen
dargestellt. Was die Einheimischen in Sekundenschnelle abliefern
erscheint uns eher wie ein abstraktes Kunstwerk.
Nach einer
amüsanten Stunde saßen wir in einem Minibus der uns kostenlos bis
nach Daocheng mitnahm. Braden ist seit einem Jahr in China und selbst
meine chinesischen Sprachkünste reichen mittlerweile aus um zurecht
zu kommen was fürs Trampen natürlich super hilfreich ist.
Die Hotelsuche
gestaltete sich dann etwas schwieriger als gedacht. Fanden wir
anfangs kein Hotel das Ausländer beherbergen wollte/durfte, wurden
wir in einem Gasthaus in einer Hinterstrasse fündig. Unsere
Personalien wollte aber auch dieses Gasthaus nicht aufnehmen, bleiben
durften wir trotzdem.
Die Polizeipräsenz
in Westsichuan ist übrigens beinahe unfassbar. An jeder Ecke, in
jedem dritten Auto und gerade an öffentlichen Plätzen findet man
Unmengen Polizisten. Böse guckend und mit Kameras ausgerüstet
würdigen sie einen keines Blickes. Dreht man sich nach einigen
Metern um sieht man gerade die jungen weiblichen Polizistinnen jedoch
immer wieder kichern und dann winken sie einem doch zu.
Wer als Kerl
Probleme mit seinem Selbstbewusstsein hat, dem empfehle eine Reise
durch China. Ich garantiere euch ihr geht mit erhobener Brust aus
diesem Land wieder raus.
Nach einer
entspannten Nacht mit ausreichend Schlaf führte uns der Weg weiter
in den Nationalpark Yading. Seit 4 Tagen haben wir nun keinen
einzigen Ausländer gesehen.
Wir vereinbarten
einen Preis von 50 Yuan p.P. (6,20€) für die 3,5 Stunden Fahrt.
Der 18-jährige Fahrer, der komplett geisteskrank auf dem besten Weg
mit uns ins Jenseits war verlangte dann am Ende der Fahrt 60 Yuan.
Nach Monaten des Reisens kennt man diese Masche ja bereits und tut
das mit einem Lächeln ab. Aber nicht mit „Mr. Ich-bin-der-Boss“.
Er bot uns die Stirn und fing an uns zu schubsen. Wir sahen vorher in
seinem Wagen bereits die Machete liegen uns wurde wirklich mulmig
zumal wir im Nirgendwo waren, er selbstbewusst und durchgedreht genug
war um etwas dummes zu machen. Man ja nie weiß zu was der Typ fähig
ist, zumal keiner unserer Angehörigen oder ein Hotel wusste wo wir
uns befinden und uns erstmal keiner vermissen würde.
So absurd es auch
ist doch um die 10 Yuan (1,20€) waren wir bereit dieses Risiko
einzugehen. Fragt nicht warum, aber man lernt mit der Zeit sich nicht
ständig verarschen zu lassen.
Wir gaben ihm
jeder 50 Yuan. Als er sie nicht annahm uns uns wiederholt anschrie
und schubste haben wir die 50 Yuan auf die Erde geschmissen, ihn
weggeschubst und sind gegangen.
Affe!
Was dann folgte
war ein grandioser Nationalpark für die nächsten 2 Tage. Hier kann
man auch dem Lonely Planet danken, denn diese ganze Gegend wird im
großen Lonley Planet China mit keinem einzigen Wort erwähnt und so
trafen wir nur 2 Ausländer zwischen den ganzen Chinesen.
Ohne Unterkunft
wollten wir heute auf 3900 Meter aufsteigen, da wir gehört haben es
gibt dort ein tibetisches Kloster.
Gegend Nachmittag
erreichten wir das Kloster. Obwohl es wieder mal an der Verständigung
haperte wurde uns verständlich gemacht, dass wir jetzt keinen
Schlafplatz bekommen. Wir sollen nach Einbruch der Dunkelheit
wiederkommen.
Gesagt. Getan.
Jetzt sahen wir
auch wieso. Das Kloster wird von der Polizei videoüberwacht und
Kontakt mit Ausländern ist den Mönchen verboten. Wir wurden
zwischen den Kameras vorbei geschleust und bekamen einen Schlafplatz
in einem Bretterverschlag auf einer Art Holzerhebung. Die Nacht war
trotz 4 „Pferdedecken“ bitterkalt. Da half es auch nicht, das wir
alle unsere Sachen anbehielten, inkl. Schuhe, Jacke und Mütze.
Egal. Überlebt.
Alles gut.
Am Morgen wachten
wir dann zum Sonnenaufgang auf und erlebten einen wunderschönen
Sonnenaufgang in Mitten der Berge und ganz allein.
Beeindruckend!
Der Aufstieg auf
4300 Meter war relativ leicht zu meistern bevor wir gegen Mittag mit
dem Abstieg zurück in Richtung Dorf begannen.
Im Dorf angekommen
bestellten wir uns in einem kleinen Restaurant etwas warmes zu essen.
Wie in China üblich wird entweder Tee oder heißes Wasser zum Essen
getrunken. Das heiße Wasser steht stets bereit in einer großen 3
Liter Thermoskanne.
Braden war so nett
und wollte uns beiden etwas einschenken.
BUMM!
Das verdammte Ding
ist, warum auch immer, beim Anheben geplatzt!
Das heiße Wasser
läuft über sein Bein direkt in seinen Schuh. Vor Schmerzen
schreiend reisst er sich die Hose vom Körper, während ich ihn mit
Wasser aus meinem Rucksack übergieße.
Die herbeieilenden
Locals kühlen meinen schockierten Kumpel weiterhin mit Wasser
während ich draußen versuche ein Auto anzuhalten, das uns zu einer
Apotheke bringen kann (1 Autostunde) und danach ins nächste
Krankenhaus (3,5 Autostunden) zurück nach Daocheng.
Für 100 Yuan
finde ich kurz später einen Fahrer.
Die Erlebnisse aus
dem Krankenhaus würden diesen Bericht sprengen, aber 3 Wochen später
hat sich Bradens Bein schon wieder fast erholt.
Wir blieben dann
rund 5 Tage zur Erholung in Daocheng. Eine Selbstverständlichkeit,
wie es jeder andere Backpacker auch machen würde, ließ ich ihn
nicht „am Ende“ der Welt allein und spielte Krankenschwester für
die die nächsten Tage.
Noch angeschlagen
ging es dann per Anhalter weiter nach Litang. 4 Autostunden über
eine relativ gut befahrbare Strasse.
Litang ist auf dem
Sichuan-Tibet Highway ist mit 4019 Höhenmetern eine der
höchstgelegenen Städte dieser Welt. Nur Peru und eine andere Stadt
in China sind noch höher.
Mit Staublunge und
schwerem Atem erkundeten wir diese tibetische Stadt auf einem
Hochplateau von weitläufig umgeben von Bergketten.
Nach 2 Wochen im
wilden Westen hatte man sich an fast alles gewöhnt. An alles außer
eins. Stehklos! Mein Gott, wie ich diese Klos hasse.
Ein wunder das ich
keinen doppelten Kreuzbandriss erlitten habe. Diese Klos sind echt
der Horror und es ist auch kein westliches Klo zu finden. Die
Erfahrungsberichte eines jeden einzelnen sind zum wegschmeissen, wie
jeder auf seine Art versucht sich mit diesen Akrobatenklos
anzufreunden.
Von der nun
folgenden Strecke Litang nach Kanding haben wir einige
Horrorgeschichten zu hört bekommen. Schlimmste „Strasse“ aller
Zeiten, so hieß es aus aller Munde. Deshalb hielten wir es für die
bessere Idee zur Abwechslung einen Bus zu nehmen. 12 Stunden Fahrt,
davon einige Stunden im Schritttempo und eine gebrochene Felge später
fanden wir uns in Kanding wieder. Die tibetische Kultur ist auch hier
noch zu spüren, wenn auch weit aus nicht so intensiv und vielfältig
wie zuvor.
2 Tage blieben wir
bevor wir uns auf zur letzten anspruchsvollen Etappe nach Chengdu
machten.
Für die
Tagesetappe von 10 Stunden wollten wir es nochmal wissen und es per
Anhalter probieren. Geschlagene 2 Stunden mussten wir warten bis ein
SUV anhielt. 2 junge Tibeter, laute Technomusik und die komplette
Fahrt nach Chengdu erwarteten uns.
Die Fahrweise
würde ich dieses mal als tibetisch-normal betrachten. Überholen in
Kurven, überholen da wo es mit menschlichem Verstand unmöglich
erscheint, drängeln, pöbeln und wenn es keine Aussicht auf ein
erfolgreiches Überholmanöver gibt einfach auf die Hupe steigen und
Vollgas alles probieren. Unsere Gesichter schrieben Bände.
Verständlich das
uns irgendwann die Polizei anhielt.
Unser Fahrer war
anfangs noch optimistisch, dass er die Polizisten bestechen kann. Als
diese jedoch uns, die Ausländer, im Fahrzeug erblickte gabs n'
ordentlichen Strafzettel von 600 Yuan (~80€). Unser Fahrer
zerknüllte den Strafzettel, sagte was auf chinesisch, grinste,
drehte die Musik auf und ab gings wieder. :)
Nach gut 7 Stunden
erreichten wir den Highway. Ein grinsen über Bradens und mein
Gesicht. Die erste vernünftige Strasse seit 3 Wochen. 160 km/h. So
schnell war ich vor knapp 8 Monaten zuletzt in Deutschland unterwegs.
Ich hatte das Gefühl wir fliegen gleich. Braden gar war in seinem
ganzen Leben noch nie so schnell unterwegs. Da weiß man die
deutschen Autobahnen doch zu schätzen!
Er setzte uns an
einer Bushaltestelle in Chengdu ab.
Die beiden Männer
hatten unser Mittagsessen bezahlt, alle Mautgebühren, den
Strafzettel und sind einen Umweg für uns gefahren, doch sie wollten
kein Geld haben obwohl wir es mehrfach angeboten haben.
Tausendfach
bedankt verließen wir erleichtert das Auto.
3 Wochen durch den
wilden Westen, etliche neue Freunde, tausend neue Erfahrungen,
Umgebung wie in einem Film und beinahe zu tränen gerührt genossen
wir das Leben zurück in der Zivilisation.
Mc Donalds.
Friseur.
Rasur.
Westliche
Toilette!!!
Clubs.
Warmwasser.
24 Stunden Strom.
Paradies, wir sind
zurück!
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Typisches tibetisches Wohnhaus |
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Auf dem Weg zum Ziel... |
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...weit ist's nicht mehr. |
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2 neugierige junge Mönche. |
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Straßenleben in Litang. |
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Ein Westler im Krankenhaus wird da schnell zur Attraktion. Das der 19-jährige "Doktor" nebenbei raucht ist hier eine Selbstverständlichkeit. |
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Auf dem Weg zum Kloster im Natinalpark Yading. |
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Einer der drei "weißen Berge". |
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Hochplateau Litang. |
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2 Stadtbekannte Cowboys und ein Local. |
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Ich will Zivilisation! |